Ein hohenlohe'scher Luftschiffer
Weite Kreise, besonders alle, die Sympathie für die Fortschritte und Errungenschaften unseres technischen Zeitalters haben, dürfte es interessieren, daß ein Sohn unseres Oberamts, Hr. August Ströbel von Kleinbrettheim (ein Sohn des dortigen Hirschenwirts Ströbel) vor einigen Tagen in Berlin-Johannistal das staatliche, internationale Flugzeugnis mit "vorzüglich" erwarb. Man kann sich von des Examens Schwere einen Begriff machen, wenn man sich die Bedingungen der Prüfungskommission näher ansieht, welche der junge, erst 23jährige Mann glänzend erfüllte, dieselben waren, daß der Prüfling im ersten Teil 5 nacheinanderfolgende Aufstiege zu machen hatte, in 200 Meter Höhe je eine Schleife fahren musste und nach Zurücklegung von 5 Kilometer ohne Bruch an der Aufstiegsstelle zu landen hatte. Im zweiten Teil war die Bedingung in einer Höhe vom mindestens 1000 Meter 1 Stunde lang zu fahren und mit abgestelltem Motor im Gleitflug aus dieser Höhe zu landen, wahrlich Bedingungen, die uns in Erstaunen setzen, man nennt diesen 2. Teil die Feldpilotenprüfung. Herr Ströbel lernte in Gerabronn 3 Jahre als Schlosser, arbeitete nachher in verschiedenen Städten, als er seiner Dienstpflicht im Luftschifferbataillon Nr. 1 in Berlin genügt hatte, trat er anschließend am 1. Oktober 1913 bei der Firma Harlan Berlin-Johannistal als Flugschüler ein. Die Ausbildung erfolgte auf einem 100 P.S. Harlan-Eindecker mit doppelter Steuerung für Lehrer und Schüler je eine Maschine. Ein wohlwollender Offizier übernahm in liebenswürdiger Weise die Vermittlung, wodurch Herr Ströbel des schönen Sümmchens von 8000 Mk. aus der Nationalflugspende teilhaftig wurde, die natürlich die Lehrfirma bekam, die damit wieder weitgehende Verantwortungen übernahm. Aus dem Lehrgang sei hier nur folgendes erwähnt: Zuerst fliegt der Schüler mit dem Lehrer als Passagier, sodann macht er die Steuerbewegungen mit, nachher steuert der Schüler selbst; hierbei war der Lehrer gewissermaßen Passagier und greift nur zur Korrektur ein. Dann kann die Periode des Rollens auf dem Boden, im Anschluß im Januar d. J. der erste längere Alleinflug, wo Herr Ströbel in 35 Minuten Höhen über 120 Meter erreichte, nach dem 45. Aufstiege legte er die Prüfung ab, die Gesamtflugdauer war 14 Stunden 35 Minuten. Erfreulicherweise hat das Schicksal unter den mutigen Pionieren der Luft, in den letzten Jahren nicht mehr so wie früher gehaust, wenn wir auch noch nicht so weit sind, daß jeder in der Luft herumsegeln kann, so liegt doch die Zeit nicht allzu fern, daß auch diese Apparate durch die fortwährenden Verbesserungen unserer unermüdlichen Technik Volksgut werden. Herr Ströbel fühlte sich "Oben" unbedingt sicher, nach seiner Aussage fehlte es bei 9 Zehntel der Abgestürzten im kritischen Momente an der nötigen Geistesgegenwart, das beweist auch der französische Sturzflieger Pegoud, der sogar mit dem Kopf nach unten fliegt und sich in jeder Lage wieder aufrichtet. Pech hatte Herr Ströbel während seiner Ausbildung nur einmal, als er bei einer Landung in schlechten Boden geriet und sich die Maschine überschlug. Wenn es auch Kleinholz gab, so kam er doch mit heiler Haut davon, was dem sofortigen Abstellen des Motors zu verdanken war. Seinen denkwürdigen Tag hatte unser Pilot als er am 14. April ohne trainiert zu haben, sich auf einem 100 P.S. "Bussard" um das Feldpilotzeugnis bewarb, darüber äußerte sich Herr Ströbel wie wörtlich folgt, selbst: „Ich hatte die Absicht, 2000 Meter hoch zu klettern, doch war das Wetter sehr ungünstig, sehr wolkig und das Luftmeer bewegt. Ich schwebte in 1300 Meter Höhe, unter mir dicke, schwere Wolken; Berlin war längst hinter mir verschwunden, zuerst ergötzte ich mich an der seenreichen Umgebung Berlins, die Erde lag unter mir wie eine riesige Landkarte, ein unsagbar herrlicher Anblick. Als etwa 300 Meter unter mir dicke schwere Wolken durchzogen, und mir jede Aussicht noch unten unmöglich machten, verlor ich die Orientierung und wußte schließlich nicht mehr wo ich mich befinde. Ich irrte, und es wurde mir unheimlich als ich am Benzinstandglas konstatierte, daß mein Betriebsstoff bald zu Ende ist. Da gab ich auf, denn besser freiwillig, als später unfreiwillig um auf gut Glück auf irgend einem Wald, See oder Häuserdach zu landen, stellte den Motor ab und tauchte im Sturzflug in die Wolkenwand ein, als es ganz dunkel wurde, wurde es mir fast bange und zitterte vor Frost, bekam Stöße von rechts und links und meine Maschine geriet ins Schwanken. Doch ich beherrscht mich und meine Maschine. Da plötzlich wurde es wieder heller und die Landschaft lag klar unter mir. Während ich so im Absteigen - Abstürzen - begriffen war und mir mit seligen Gefühlen eine Landungsstätte suchte, sah ich in weiter Ferne das Wellblechdach der Luftschiffhalle auf dem Johannistaler Flugplatz in der Sonne, die ab und zu durch die Wolken stach, glitzern. Meine Rettung! Sofort stellte ich den Motor wieder an, der Gott sei Dank wieder ansprang, fing die Maschine ab und steuerte direkt auf jene zu. Mein Höhenmesser zeigte noch 1000 Meter an, also immer noch die vorgeschriebene Höhe. Bedenken hatte ich nur noch, daß mir mein Benzin nicht mehr bis zum Platz reicht, denn ich war noch etwa 30 klm. entfernt. Doch der Rückenwind kam mir zu Gunsten und so schoß ich mit einer Geschwindigkeit von 35 Meter pro Sekunde dahin. Als ich den Müggelsee überflogen hatte, war meine Sorge vorüber, obwohl mein treuer Motor schon an Touren nachließ. Über dem Flugplatz angekommen, stellte ich den Motor vollständig ab, leitete dem Gleitflug ein und landete nach 1¼ stündigen eindruckreichem Flug inmitten des Platzes. Als meine Maschine ausgerollt hatte und stillstand, merkte ich erst, dass ich unter der Kälte gelitten hatte, taute erst auf, als mir die Herren der Sportskommission, der Direktor meiner Firma, herzlich zu meinem Erfolg gratulierten, mein Lehrer besonders zu dem brillanten Gleitflug.“ Diesen Sommer gedenkt Herr Ströbel sich fleißig an den verschiedenen Konkurrenzen zu beteiligen, um die Preise der Nationalflugspende will er sich bewerben und ebenfalls am Prinz Heinrich-Flug teilnehmen. Im Kriegsfalle hat derselbe als Flugzeugführer einzurücken. Wünschen wir dem beherzten, jungen Hohenloher noch weiter gute Erfolge und herzlich Glück.